Mut
„Mut ist uns nicht angeboren. Mut ist der Sieg über die Angst und unsere Ängste”, schreibt Friedrich Schorlemmer (in Möllering und Behlau). „Denn Angst ist uns angeboren, die Angst vor allem, was uns bedroht, in der Wirklichkeit und im Traum: Angst vor dem Stärkeren, Angst zu unterliegen, Angst vor körperlichem und seelischem Schmerz, Angst um unser Leben selbst, Angst vor dem Versagen – vor uns selbst, vor anderen oder vor einer Aufgabe -, Ängste vor dem Beginnen, Angst davor, Verantwortung übernehmen zu sollen.” Hinzu kommen Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die viele Menschen bedrücken.
Die Quellen des Mutes bestehen darin, sich seiner Kräfte und seines Wertes bewusst zu sein, zu überlegen, was man sich zumuten kann und was nicht. Das erfordert Selbstbesinnung auf den Mut des Herzens und des Verstandes.
Ein Zeichen des Mutes ist wohl auch die so genannte „Zivilcourage”. Es ist ein Wort, das einst Bismarck verwandte als er einem Abgeordneten des Preußischen Landtages sagte: „Mut auf dem Schlachtfeld ist bei uns (Deutschen) Gemeingut. Aber Sie werden es nicht selten finden, dass es ganz achtbaren Leuten an Zivilcourage fehlt!”
„Zivile Tapferkeit – das ist der Mut vor dem Freund”, stellt Friedrich Schorlemmer fest. „Und es ist der Mut, ganz auf eigenes Risiko einzuschreiten… Es ist das eigene, freie Heraustreten aus den ,Regeln der Herde’, wo Verantwortung das gebietet oder wo das Herz unmittelbar schlägt.” Es bedeutet auch, weder auf den Beifall noch auf die Kritik zu achten, die man dafür erntet. Das bedeutet zugleich, sich davon zu befreien, unbedingt bei den Stärkeren, Mächtigen zu sein und ihnen zu gefallen. So ist es in der Diktatur und nicht anders in der Demokratie, wenngleich hier nicht so gefährlich. Doch brauchen wir zum eigenen Mut auch Ermutigung und wenn möglich auch Verbündete. Denn eigener Mut macht anderen Mut, wenn die Gründe des Denkens und Handelns ethisch sind und wenn der Mutige glaubwürdig ist. Ein überzeugendes Beispiel für großen Mut, große Zivilcourage ist der amerikanische Bürgerrechtler und Denker des Friedens Martin Luther King. Ihn als Vorbild zu wählen, ist für viele mutige Menschen in aller Welt Kraft spendend gewesen. Mut zu zeigen, gilt es nicht nur im Blick auf die Mächtigen, sondern ebenso im Blick auf die Schwachen, die Hilflosen, die Verfolgten, die Flüchtenden. So war es mutig von jenem Pfarrer, der einst den „obdachlosen”, verfolgten Erich Honecker bei sich aufzunehmen, obwohl er dafür beschimpft und geschmäht worden ist. Dieser Pfarrer handelte doch im Sinne der Bergpredigt, im Gegensatz zu manchem seiner einstigen Amtsbrüder jener Zeit, denen die Bergpredigt nichts mehr bedeutete.
Anstelle der Jahrhunderte lang gepriesenen „Tapferkeit vor dem Feind” sollte der Mut treten, gegen Krieg, Gewalt, Unrecht, Hunger, Armut aufzutreten. Auch hier gilt Albert Schweitzers Wort: „Das wenige, das du tun kannst, ist viel, wenn du nur irgendwo Schmerz und Weh und Angst von einem Wesen nimmst, sei es ein Mensch, sei es irgendeine Kreatur.”