Neuanfang und Existenzkampf der Johanna Kegler Familie
Bericht von Oma Hanna (Chart II a – II)
Aus den Erinnerungssplittern von ihrer Enkelin Anke Schubert
Im Sommer 1945 wollten wir, da auch hier in Mellen die russische Armee war, vor der wir geflüchtet waren, in die Heimat zurück. Weder Radio noch Zeitungen, nur mündliche Mitteilungen gaben vage Auskunft! So spannte der Bürgermeister – froh, Flüchtlinge loszuwerden, – 3 große Wagen an und transportierte etwa 30 Personen nach Lenzen/Elbe zur Bahn. Tagelang waren wir bis Berlin in überfüllten Zügen, auf deren Dächern Menschen saßen, unterwegs, von Rotarmisten bewacht – manchmal fuhr der Zug nur weiter, wenn dem Rotarmisten, der mit auf der Lok war, „Schnaaps“ spendiert wurde. Wer eine Flasche besaß, mußte sie hergeben. – In Berlin erfuhren wir von Soldaten, die von Hirschberg kamen, dass dort jetzt die Polen waren. Es gab kein Zurück mehr!
Durch das Trümmerfeld Berlin zogen wir mit Handkarren, die irgendwo am Bahnhof rumstanden, aufs Geratewohl zu Verwandten von Keglers, und tatsächlich, wir konnten unterkommen, teils in Charlottenburg, teils im Pfarrhaus in Wedding. Ich bin an diesem Tag mit Hartmut 40 km und mehr hin- und hergelaufen – Bahnen, Busse etc. gingen nicht, Brücken waren kaputt.
Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Wittenberge – tagelang. Dort schrieb ich, noch auf den Treppenstufen des Bahnhofes auf einem alten Feldpostbrief meine Bewerbung um Wiedereinstellung als Lehrerin an das Schulamt, denn die Schulen sollten wieder eröffnet werden. Ich hatte Glück: am 1. Oktober 1945 wurde ich in Rambow – Mellen in den Schuldienst berufen. Es war eine schwere Zeit – keine Hefte, keine zugelassenen Bücher, keine Bleistifte … und es gelang! Arbeitswille und Disziplin halfen mir und 118 Schülern zu bescheidenen Freuden und Erfolgen.
Meine Familie zog in das Schulhaus in Rambow ein, altes, abgestelltes Gerümpel der Bauern wurde mir geborgt. 1946 wurde die Schule zur Zentralschule, ich zur Schulleiterin, mir wurden vier im Schnellverfahren (acht Monate) ausgebildete Lehrer zur Seite gestellt.