Albert Schweitzer – Seminar #25

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Was in Afrika anders ist als bei uns

Wenn man von Deutschland in ein anderes Land fährt, ist vieles anders. Aber wenn man von Europa nach Afrika fährt, ist fast alles anders. Das erlebten auch Albert und Helene Schweitzer, als sie aus ihrer Heimat im französischen Elsass in den Urwald am Ogowe kamen. Anders ist natürlich nicht nur das Klima, anders sind auch die Pflanzen und die Tiere und vor allem die Menschen. So wie sich ein Europäer nur schwer vorstellen kann, wie man in Afrika lebt, so weiß auch ein Afrikaner nicht, wie es in Europa zugeht. Der Europäer kennt zum Beispiel keinen richtigen Tropenregen und der Afrikaner keinen Schnee.

So lernten Albert und Helene Schweitzer nicht nur viele neue Dinge in Afrika kennen, sondern mussten den Afrikanern auch viel von Europa erzählen. Die wunderten sich zum Beispiel, dass es in Europa, aber auch in Nordamerika und Australien oft Waldbrände gibt. So etwas haben seine afrikanischen Bekannten noch nicht erlebt. Wisst ihr auch warum das so ist? Im Urwald ist nämlich selbst in der trockenen Jahreszeit die Luft so feucht, dass der Wald nicht brennen kann, auch wenn man versucht, ihn anzuzünden. Wenn Afrikaner ein Stück Urwald roden, um eine kleine Fläche für ihr Gemüse zu gewinnen, schlagen sie Bäume um. Aber das Holz dieser Bäume müssen sie viele Monate lang liegen lassen und vor Feuchtigkeit schützen, damit sie es überhaupt mit viel Mühe anzünden können. Das Tropenklima ist so ähnlich wie eine Sauna. Dort trocknet ja auch kein Holz und der Schweiß tritt einem aus allen Poren, obwohl man sich nicht bewegt. Und die Menschen dort müssen bei diesen Temperaturen noch arbeiten! Wenn sie ein Feuerchen anzünden wollen, müssen sie ganz kleine und dünne Zweige nehmen und zuerst diese anzünden, bevor sie ein richtiges Feuer bekommen, mit dem sie ihr Essen kochen können.

Albert Schweitzer hat einmal seinen afrikanischen Helfern erzählt, dass man in Europa zum Vergnügen auf Flüssen und Seen gerne rudert. Auch das können Afrikaner nicht verstehen. So fragten sie ihn: „Wer befiehlt denn euch Weißen zu rudern?“ „Niemand“, antwortete Albert. „Es muss ihnen aber doch jemand etwas schenken, damit sie es tun?“, fragten sie weiter. „Nein“, sagte der Doktor, „sie tun es ganz freiwillig und umsonst und oft rudern sie sogar um die Wette und strengen sich dabei so an, dass sie ganz erschöpft sind!“ Da schüttelten die Afrikaner nur ungläubig ihre Köpfe und hielten die Europäer für ein bisschen dumm. Wie kann man sich nur in ein Boot setzen und nach allen Kräften rudern, ohne ein Reiseziel zu haben oder Waren zu transportieren? Nur aus Spaß zu rudern, erschien ihnen unvernünftig. Ja, wenn man Fische fangen will, Bananen transportieren muss oder Freunde besuchen möchte, dann setzt man sich natürlich in ein Boot und rudert los. Aber nur so aus Spaß und ohne Ziel und ohne Zweck, das ist doch komisch! Haben die Weißen denn nichts anderes zu tun?

Ganz unverständlich war auch seinen afrikanischen Freunden, dass man in Europa eine Frau heiraten kann, ohne zu bezahlen. Das glaubten sie dem Doktor nicht und vermuteten, dass er sie nur veralbern wollte. „Du hast für deine Helene kein Geld an ihren Vater bezahlt?“, fragten sie misstrauisch. „Die gute Helene arbeitet so fleißig, ist so klug, kann lesen und schreiben und rechnen und ist so lieb: die ist so viel wert, dass man das gar nicht bezahlen kann. Die müsste man hier schon entführen, wenn man sie heiraten wollte!“, rief einer der schwarzen Männer. Da mussten aber Helene und Albert laut lachen. „Nein“, sagte Helene, „mein lieber Mann hat für mich keinen Cent bezahlt und hat mich auch nicht entführt. Er hat zunächst mich gefragt, ob ich ihn heiraten wolle. Da habe ich ,Ja’ gesagt, weil ich ihn liebe und er mich ebenso liebt. Das ist schließlich das Wichtigste im Leben, dass man sich liebt. Und dass man gemeinsam für etwas leben und arbeiten will. Darüber waren wir uns beide einig. Wir wollen uns bei der Hand nehmen und das tun, was uns Jesus gesagt hat: Den Armen und den Leidenden zu helfen. Denn Jesus hat uns befohlen, zu euch zu gehen und euch zu heilen.

Dann hat Albert meine Eltern gefragt, ob sie einverstanden seien, das wir beide heiraten. Darauf antworteten sie beide mit Ja. So haben wir eben geheiratet. Aber das Geld, das Albert gespart hatte, musste er nicht meinen Eltern geben und mich damit bezahlen. Eine Frau ist doch ein Mensch und keine Ware. Sie ist kein Tier, kein Boot und keine Bananenstaude, die man bezahlen muss! Mit dem Geld, das Albert und ich durch unsere Arbeit verdient hatten, bezahlten wir die Schiffsreise zu euch, die Medizin für die Kranken und alle die anderen Dinge, die wir brauchten, um Krankheiten zu heilen.“ Wieder schüttelten die Afrikaner ungläubig ihre Köpfe. Wie kann ein Vater nur seine Tochter so einfach verschenken? In Afrika ist ein Vater von schönen Töchtern ein reicher Mann! Aber gerade das bereitete dem Doktor später auch viele Sorgen. Denn es kam vor, dass aus dem Hospital plötzlich Frauen verschwunden waren. Es stellte sich heraus, dass diese Frauen entführt worden waren. Man hatte sie einfach gestohlen! Ist das nicht schlimm?

Heute ist das nicht mehr ganz so, vor allem nicht in Lambarene. Da passt man auf die Frauen gut auf, damit sie nicht entführt werden. Vor allem aber klärt man die Menschen auf, dass Frauen keine Ware sind, sondern gleichbe­rechtigte und gleichgeachtete Menschen. Ja, sie verdienen eigentlich noch mehr Achtung als die Männer, denn sie schenken ja durch ihre Kinder das Leben.

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One thought on “Albert Schweitzer – Seminar #25

  1. This is a good reminder of why traveling to other places is so important. We all take our cultural values as a given and need to be exposed to the way other cultures think and live.

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