Albert Schweitzer – Seminar #30

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Ein Tag im Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene in den Jahren 1932 – 1935

7 Uhr. Es läutete der Gong. Albert Schweitzer rief die Krankenpfleger, Krankenschwestern, Köche. Schneider, Wäscher, Arbeiter und Ärzte, um mit ihnen die wichtigsten Arbeiten zu besprechen.

7..30 Uhr: Das weiße Personal nahm das Frühstück ein. Das schwarze Personal bereitete sich das Essen auf die Weise an, wie sie es von zuhause aus gewöhnt waren. Nach dem Frühstück wurden zunächst die Tiere gefüttert.

8 Uhr: Arbeitsbeginn: Nach dem Frühstück begann für alle die Arbeit. Sie war sehr verschieden:

Operationen: An drei Tagen in der Woche wurde operiert.

Visite: Alle schwerkranken Patienten wurden an ihren Betten aufgesucht und untersucht und ihre weitere Behandlung entschieden.

Sprechstunden: An den Tagen, an denen nicht operiert wurde, fanden Sprechstunden wie beim Hausarzt statt. Viele Krankheiten und Verletzungen wurden behandelt, Medikamente ausgegeben und schwangere Mütter beraten.

Aufnahme neuer Patienten: Viele Kranke meldeten sich und warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren. Jeder Kranke erhielt eine Karteikarte. Auf ihr stand der Name des Patienten und die festgestellte Krankheit. Danach wurden die Behandlung und die Medikamente aufgeschrieben, die der Kranke erhielt. Am Schluss stand dann: entweder „geheilt entlassen“, „verstorben“ oder „davon gelaufen“. Manche Patienten liefen nämlich einfach nachhause, wenn sie nicht mehr behandelt werden wollten.

Pflege des Spitalgartens: Leicht erkrankte Patienten oder Angehörige von Patienten wurden gebeten, notwendige Arbeiten durchzuführen, für die keine anderen Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Im Garten musste das Unkraut gejätet werden, in der Trockenzeit mussten die Pflanzen gegossen werden, in den Boden musste Dünger eingebracht werden, neue Kulturen mussten ausgesät oder gepflanzt werden, dazu zählten Bohnen, Tomaten, Salate, Bananen und andere Früchte.

Bauarbeiten: Im Spital wurde ständig gebaut. Zimmerleute und Maurer mussten Fundamente gießen, Balken errichten, Bretter annageln und die Dächer mit Wellblech decken. An all diesen Arbeiten beteiligte sich auch der Doktor und leitete sie.

Wäsche waschen: Ein Wäscher und fünf Frauen wuschen die täglich anfallende Wäsche, die Kittel, Bettwäsche, Verbände und Handtücher. Zur Trocknung legte man die Wäsche über Sträucher und Büsche. Ein Mann, der taubstumm war, also nicht hören und sprechen konnte, bügelte die Wäsche.

Schneiderei: Wenn Wäsche eingerissen war oder Löcher bekam, musste sie von Schneiderinnen wieder geflickt werden. Man konnte ja nicht ständig neue Wäsche kaufen.

Speiseplan: Den Speiseplan beriet Albert Schweitzer mit dem Koch. Eine große Auswahl gab es nicht. Drei- bis viermal in der Woche gab es Reis. Kartoffeln gab es selten. Sie galten als Delikatesse, denn sie kamen aus Europa. In Afrika wachsen keine Kartoffel, weil es dort zu heiß ist. Bei uns wachsen keine Bananen, weil es zu kalt ist. Eigentlich sollte jeder das essen, was bei ihm wächst.

Alle die genannten Arbeiten wurden von treuen Mitarbeiterinnen des Doktors wie Emma Haussknecht geleitet.

12 bis 14 Uhr: Mittagspause. Sie wurde mit einem Gong eingeläutet. Wegen der großen Hitze in der Mittagszeit mussten alle Hospitalbewohner ruhen. Sie mussten sich auch von der anstrengenden Arbeit des Vormittags erholen.

14 Uhr: Fortsetzung der Arbeit. Auch jetzt ertönte wieder der Gong. Alle am Vormittag begonnenen Arbeiten wurden nun fortgesetzt.

17.45 Uhr: Feierabend. Die Arbeit wurde beendet. Der Gong rief zum Abendessen. Albert Schweitzer sprach das Gebet. Man aß in aller Ruhe und unterhielt sich dabei über die Geschehnisse des Tages, aber auch über Freud und Leid.

Nach dem Abendessen spielte Albert Schweitzer auf seinem Harmonium Abendlieder oder Werke von Johann Sebastian Bach. Eines der Abendlieder hieß „Guten Abend, gut’ Nacht…” Dieses Lied wollen wir auch einmal singen, weil es so schön ist.

Ab 21 Uhr: Es begann die Nachtruhe. Dazu läutete eine Glocke. Alle Feuer auf dem Spitalgelände wurden gelöscht. Die Spitalbewohner gingen nun schlafen.

Nur Albert Schweitzer setzte sich an seinen Schreibtisch im Doktorhaus, zündete die Petroleumlampe an und las oder schrieb. Er las philosophische oder andere wissenschaftliche Bücher, schrieb selbst viele Bücher, aber er beantwortete auch alle Briefe, die er erhielt. Oft arbeitete er bis zum Morgengrauen. Auf seinem Schreibtisch schnurrte ein Kätzchen und zu seinen Füßen schlummerte eine kleine Antilope.

Albert Schweitzer – Seminar #29

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Über das Leben der Afrikaner im Urwald

Heute wollen wir uns einmal anhören, was Albert Schweitzer von den Afrikanern erzählt hat, die im Urwald leben. Das Leben dort war nämlich ganz anders als bei uns. Die Afrikaner wohnten in kleinen Siedlungen, zu denen keine festen Straßen führten. Wollte man zu ihnen gelangen, musste man einen Fußweg benutzen, der durch den Wald, durch Sümpfe oder Gewässer und über Berge führe. Es gab dort auch keinen Straßendienst, der die Wege pflegte. Ständig mussten Frauen und Männer mit großen Messern oder Äxten den Weg freihalten, weil er sonst mit den vielen Pflanzen zuwachsen würde In den Siedlungen wohnten die Afrikaner in unterschiedlichen Unterkünften. Ärmere Menschen bauten sich ihre Hütten aus Bambusstäben und Palmenblättern. Die Palmenblätter waren aber nicht so dicht, dass kein Regen hindurch tropfte. So wurden die Menschen in der Regenzeit oft nass. Diese Menschen waren auch deshalb arm, weil sie keinen Ackerbau und kein Handwerk betrieben. Sie sammelten nur Früchte im Wald, jagten Wild oder fingen Fische. Aber sie hatten nichts, was sie verkaufen konnten.

Doch es gab auch andere Siedlungen, in denen es die Menschen besser hatten. Sie rodeten immer wieder ein Stück Wald und pflanzten auf die frei gewordene Fläche Obst und Gemüse. Es wuchsen in den Gärten Bananen, Maniok und viele andere Pflanzen, die wir hier nicht kennen, weil es bei uns zu kalt ist. Die Leute hielten sich auch Haustiere wie Ziegen und Hühner und wer geschickt war, fertigte Eimer, Musikinstrumente oder kunstvolle Figuren aus Holz an. So erzeugten sie mehr, als sie selber brauchten, und konnten das, was sie übrig hatten, in der Stadt auf dem Markt verkaufen: Eier und Milch, Bananen, Holzeimer und Figuren. Für das Geld, das sie für ihre Produkte erhielten, konnten sich die Menschen dann Werkzeuge oder Kleidung, Gartengeräte oder Bretter kaufen. Mit den Brettern bauten sie sich kleine Häuschen, in denen sie besser wohnen konnten als in den Palmenhütten zuvor. Sie konnten mit dem verdienten Geld aber auch ihre Behandlung im Albert- Schweitzer-Spital in Lambarene bezahlen, falls sie einmal krank wurden. In manchen Dörfern legten die Menschen auch ihr Geld zusammen und bezahlten einen Lehrer, der ihren Kindern Lesen. Rechnen und Schreiben beibrachte. Das war sehr klug!

Es gab aber auch Menschen, die einfach nicht genug haben konnten. Sie wollten immer mehr als ihre Mitbewohner in der Siedlung. Deshalb gingen sie zu den Fabriken in der Stadt oder zu einer der großen Farmen auf dem Land, um dort zu arbeiten. Einige von ihnen sparten sich das Geld, das sie dort verdienten, und konnten dann ihren Frauen und Kindern schöne Kleider oder Spielzeug kaufen. Aber viele wurden auch bettelarm. Das kam so: Die weißen Menschen aus Europa, denen die Fabriken oder die Farmen gehörten, hatten manches Gute vollbracht. Aber manche von ihnen haben auch viel Böses angerichtet. Zu dem Bösen zählt zum Beispiel der Alkohol, den sie mitbrachten. So wie in Nordamerika die Indianer, so litten in Afrika die Afrikaner durch den Alkohol. Für das Geld, das sie sich erarbeitet hatten, kauften sie sich keine schönen Sachen, sondern Alkohol. Der Schnaps hat ebenso viele Menschen umgebracht, wie in den Kriegen totgeschossen worden waren. Deshalb ist es besser, wenn man keinen Schnaps trinkt. Auch bei uns gibt es nicht wenige Menschen, die vom Alkohol krank geworden sind. Dasselbe gilt für Zigaretten und Drogen. Sie sind Gift, und man soll sich doch nicht selbst vergiften! Deshalb war im Albert-Schweitzer-Spital in Lambarene der Alkohol verboten.

Auch heute noch ist das Leben der Afrikaner sehr unterschiedlich. Die meisten von ihnen sind immer noch sehr arm. Deshalb muss man ihnen helfen, damit sie sich selbst helfen können. Ein gutes Beispiel dafür ist das Albert- Schweitzer-Spital in Lambarene. Früher gab es dort nur weiße Ärzte, aber heute arbeiten dort Afrikaner, die genauso gute Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger sind, wie es zuvor die Europäer waren. Albert Schweitzer gab uneigennützig Hilfe zur Selbsthilfe!

Wir merken uns:

Man soll fleißig arbeiten, um zufrieden zu leben. Aber man soll nicht habgierig werden und immer mehr haben wollen. Dadurch wird man nicht glücklicher.

Man soll gesund leben und Gifte wie Alkohol, Tabak oder Drogen meiden. Kein kluger Mensch vergiftet sich selbst.

Albert Schweitzer – Seminar #28

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Geschichten aus dem Hospital

Bei seiner Arbeit als Arzt hat Albert Schweitzer so manches erlebt, worüber er später sicher lächelte und wir auch lächeln können, aber nicht spotten dürfen. Denn die Bewohner des Urwaldes wussten eben manches nicht, was für uns selbstverständlich ist. So entstanden ein paar ganz lustige Geschichten. Einmal verhalf der Doktor einem lieben alten Mann zu einem künstlichen Gebiss. Der Mann hatte nämlich keine eigenen Zähne mehr. Das Gebiss saß gut und der alte Mann konnte damit auch wieder gut essen. Doch bald beschwerte er sich beim Doktor und wollte sein Geld zurückhaben. Der Doktor fragte: „Warum beklagen sie sich denn, das Gebiss ist doch in Ordnung?“ „Ja, aber die neuen Zähne sitzen nicht so fest wie die alten“, meinte der alte Mann und war böse. Da erklärte ihm der Arzt den Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Zähnen. Nachdem der Mann das verstanden hatte, wurde er wieder freundlich und verlangte das Geld nicht mehr zurück.

Ein anderes Mal trug es sich zu. dass sich ein weißer Europäer als Patient im Hospital aufhielt. Die Europäer brachten immer einen Gehilfen mit. der sie betreute und ihr Zimmer sauber hielt. Als der Patient wieder gesund und entlassen worden war, stellte der Doktor fest, dass ein Fieberthermometer fehlte. War es kaputt gegangen oder hatte man es verloren? Niemand wusste es. Später traf der Doktor diesen Europäer zufällig in der Stadt. Der öffnete seine Tasche und holte das vermisste Fieberthermometer heraus. Da wunderte sich Albert Schweitzer sehr und fragte, wie er denn zu diesem Thermometer käme. So erzählte ihm der Europäer die Geschichte. Als er nämlich aus dem Hospital entlassen und wieder zuhause war, ermahnte ihn sein afrikanischer Gehilfe: „Herr vergiss nicht, das Medikament unter den Arm zu nehmen, damit du gesund bleibst!“ „Was meinst du denn?“, fragte der Europäer. „Das Medikament aus Glas, das so glänzt!“, antwortete der Gehilfe. „Ach so“, rief der Europäer, „ich verstehe. Du meinst das Thermometer! Aber wir haben doch keines hier!“ „Doch“, lächelte der Gehilfe, „wir haben eines!“ Er griff in seine Hosentasche und holte eine kleine Schachtel heraus, in der das Thermometer aus dem Albert-Schweitzer-Spital lag. Der Europäer erklärte seinem Gehilfen, dass ein Thermometer kein Medikament sei. Es sei ein einfaches Gerät, mit dem man die Körpertemperatur misst. So erkennt man schnell, ob man Fieber hat. Das verstand der Gehilfe auch und gab das Thermometer wieder zurück. Die Afrikaner, die im Urwald lebten, hatten es sehr schwer, wenn sie krank wurden und ins Hospital mussten. Es gab ja damals keine Straßen und Krankenautos. So mussten sie oft von ihren Familienangehörigen über weite Strecken getragen oder mit Booten zum Hospital gebracht werden. Oft waren sie nach dem anstrengenden Weg über mehrere Tage ganz schwach und ausgehungert. Deshalb mussten sie zunächst wieder durch gutes Essen und viel Ruhe etwas zu Kräften kommen, bevor sie operiert werden konnten. Dadurch verlängerte sich natürlich auch der Krankenhausaufenthalt. Als sie nach der Operation ausgeheilt waren, mussten sie natürlich auch wieder in ihre Siedlungen zurückkehren. Erneut hatten sie einen schweren Weg vor sich. Damit sie nicht Hunger leiden mussten und auch etwas zum Bezahlen hatten, wenn sie jemanden um Mitnahme in einem Boot bitten mussten, bekamen sie im Hospital Bananen und Maniok zum Essen und eine Tüte Salz zum Bezahlen mit auf den Weg. Geld hatte man ja nicht für sie, aber mit Salz konnte man in Afrika auch bezahlen. Das ist in vielen Gegenden noch heute so.

Wir merken uns:

Wenn andere Menschen etwas nicht so wissen und kennen wie wir, darf man sie nicht auslachen, sondern muss ihnen alles erklären. Auch wir wissen längst nicht alles.

Albert Schweitzer – Seminar #27

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Ojembo, der Urwaldlehrer

Wisst ihr. was Ojembo heißt? Ojembo heißt in einer afrikanischen Stammessprache „Das Lied“.

Ojembo war der Name eines schwarzen Lehrers in Lambarene. Im Hospitaldorf gab es nämlich auch eine Schule, wie ihr schon wisst. Ojembo war ein gütiger, kluger und sehr bescheidener Mensch. Er hatte eine Frau, die ebenso lieb und tüchtig war wie er. Beide lebten mit ihren drei kleinen Kindern in einer Bambushütte.

Ojembo war der Dolmetscher des Doktor Schweitzer. Dieser hielt an jedem Sonntag im Gottesdienst eine Predigt. Doch Albert Schweitzer sprach zwar deutsch, englisch und französisch, aber keine Stammessprache der Afrikaner. So musste der Doktor vor jedem Gottesdienst mit Ojembo Satz für Satz die Predigt in die Stammessprache übersetzen. Das war gar nicht so leicht. Denn in der Bibel steht zum Beispiel etwas von einem Weinstock oder einem Getreidefeld. Aber so etwas kannten ja die Afrikaner überhaupt nicht. Das ist so, als wenn man euch etwas über Zuckerrohr, Bananenstauden oder Dattelpalmen erzählen würde, die ihr noch nicht gesehen habt.

Der Lehrer Ojembo war ein Mensch mit Idealen. Das heißt, für ihn waren materielle Dinge wie Geld und Schmuck und andere teure Sachen nicht das Wichtigste im Leben. Deshalb war er auch Lehrer geworden, obwohl Lehrer viel schlechter bezahlt werden als andere Berufe. Doch Ojembo wollte, dass möglichst viele Kinder lesen, schreiben und rechnen lernten und nicht nur immer im Urwald herumziehen müssen und unwissend bleiben. Deshalb wurde er Lehrer und nicht irgendetwas anderes mit viel Geld. Ojembo war auch ein guter Lehrer, der ein Herz für seine Kinder hatte und bei dem es Spaß machte, zu lernen.

Eines Tages musste der Lehrer Ojembo aber leider das Hospital in Lambarene verlassen. In Europa war wieder Krieg und es kam keine Hilfe mehr von dort, kein Geld, keine Medikamente und keine Helfer. Ojembo konnte im Hospital kein Geld mehr verdienen, weil der Doktor einfach nichts mehr hatte. Aber er hatte ja eine Frau und Kinder, die er ernähren musste. Ganz ohne Geld ging es also nicht. So zog Ojembo wieder in sein Urwalddorf, das 150 Kilometer von Lambarene entfernt lag. Dort angekommen, überlegte er, wie er wieder Geld verdienen konnte, um für seine Familie etwas zu essen kaufen zu können. Da kam ihm eine Idee. Die Sägewerke in der Stadt brauchten Holz. Das Holz gab es im Urwald. Es musste aber geschlagen, zersägt, in den Fluss gerollt und auf dem Fluss zum Sägewerk gebracht werden. Das alles war mit schwerer Arbeit verbunden. Und ihr wisst ja, wie heiß es dort am Äquator war, wo am Mittag die Sonne senkrecht am Himmel stand und kein Lüftchen wellte. Erinnert euch an den Vergleich mit der Sauna!

Die Sägewerke hatten aber auch große Sorgen. Manche Leute brachten aus dem Urwald kein gutes, sondern sehr schlechtes Holz. Sie ließen die Baumstämme zu lange im Wasser liegen, so dass sich Schnecken einbohren konnten und das Holz zerstörten. Andere Holzfäller ließen sich ihr Holz von den Sägewerken zweimal bezahlen. Das war Betrug.

Doch Ojembo war ein ehrlicher Mensch, dem die Sägewerker vertrauen konnten. Sein Holz, das er im Urwald geschlagen hatte, war gut und fest. Er wollte auch nicht mehr Geld, als ihm zustand. Mit diesem Geld konnte er seiner Frau und den Kindern nicht nur Nahrung kaufen, sondern auch eine schöne große Hütte bauen.

Je besser es dem Ojembo und seiner Familie ging, umso mehr tat es ihm leid, dass es in seinem Dorf nicht so recht voranging. Die anderen Dorfbewohner taten nämlich nur das Nötigste. Sie rodeten ein Stückchen Wald, um einen Garten anzulegen und Gemüse anzupflanzen. Mehr taten sie nicht. Ihre Hütten waren armselig und verfielen. Man hatte zu nichts mehr Lust. Das ärgerte Ojembo, zumal einige Dorfbewohner neidisch auf ihn waren, weil er Geld hatte und in einer schönen Hütte wohnte.

Wieder dachte Ojembo nicht nur an sich. Er sorgte sich um sein ganzes Dorf. Deshalb rief er alle Bewohner auf, wieder fleißig im Urwald zu arbeiten und Holz zu fällen und dieses Holz ehrlich zu verkaufen. Er ging mit gutem Beispiel voran und rodete Flächen für den Obst- und Gemüseanbau. Sie ernteten so viele Früchte, dass die Dorfbewohner nicht nur das Holz, sondern auch Bananen und Maniok auf dem Markt verkaufen konnten. Mit der Zeit ging es allen Dorfbewohnern wieder besser. Nur eines gefiel Ojembo immer noch nicht: Es gab keine Schule im Dorf und die Kinder konnten nichts lernen. Nach wie vor konnten sie weder lesen, noch schreiben oder rechnen. Ojembo sagte sich: „Was nützt uns all das Geld, wenn wir dumm und unwissend bleiben? Man kann doch nur etwas leisten und Freude am Leben haben, wenn man etwas gelernt hat!“

Wisst ihr, was Ojembo nun gemacht hat? Er hörte auf, Holz zu fällen und wurde wieder Lehrer. Natürlich verdiente er nun lange nicht mehr so viel Geld wie als Holzfäller. Aber dafür hatte er wieder mehr Freude am Leben. Er sah, wie die Kinder seines Stammes schreiben, lesen und rechnen lernten, neben ihrer Stammessprache noch eine andere Sprache, nämlich französisch, sprechen konnten und ihnen das alles viel Freude bereitete. Die Kinder gingen gerne zu Ojembo in die Schule und wussten bald mehr als ihre Eltern.

Mit der Zeit wurde durch den guten Lehrer Ojembo aus dem verfallenen Dorf eine schöne Siedlung mit fröhlichen Menschen. Und alle wussten, wem sie das zu verdanken hatten. Nach vielen Jahren besuchte Ojembo wieder einmal das Hospital in Lambarene. Dort begegnete er natürlich auch dem Großen Doktor. Wie freuten sich beide, Ojembo und Albert Schweitzer, über das Wiedersehen! Als Ojembo berichtet hatte, was aus seinem Heimatdorf geworden war, sagte Albert zu ihm: „Siehst du, Ojembo, jeder kann sein Lambarene haben!“ Er meinte damit, dass jeder Mensch etwas Gutes tun kann, wenn er nur will und sich eine Aufgabe sucht. Hilfe wird überall gebraucht!

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Albert Schweitzer – Seminar #26

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Tabus und Aberglaube

Wisst ihr, was Tabus sind? Nein? Dann will ich versuchen, es euch zu erklären. Also, wenn man etwas auf keinen Fall tun oder sagen darf, dann nennt man das ein Tabu. Auch bei uns kann etwas tabu sein. Zum Beispiel ist das Lügen oder das Stehlen oder jemanden ganz schlimm beschimpfen oder über jemanden etwas Unwahres behaupten ein Tabu. Auch ist das Privatleben von Menschen tabu. Da mischt man sich eben nicht ein. Ohne diese und andere Tabus können Menschen nicht friedlich zusammenleben.

Leider gibt es aber auch Tabus, die mit Aberglauben verbunden sind. So etwas war früher auch bei uns und ist bis heute noch unter anderem in Afrika verbreitet. Mit solchen Tabus können Menschen gequält, verängstigt und betrogen werden. Ich will euch einige Beispiele erzählen, die Albert Schweitzer in Afrika erlebt hat.

Bei einem bestimmten Stamm der Urwaldbewohner durfte ein Mann, dessen Frau ein Kind erwartet, keinen Nagel in die Wand schlagen, nicht ein Loch im Boden mit Erde ausfüllen oder einen Zug von Wanderameisen überschreiten. Das war für ihn tabu. Wenn er es doch tat. würden seine Frau und sein Kind sterben.

Noch schlimmer war zum Beispiel, dass der Vater bei der Geburt eines Kindes Tabus ausspricht, an das sich das Kind ein Leben lang halten muss. So erhielt ein Mädchen bei seiner Geburt vom Vater das Tabu, dass es nie einen Besen anfassen dürfe. Als das Mädchen dann groß und erwachsen war, musste es ihr ganzes Leben lang den Schmutz mit ihren Händen zusammenstreichen und wegtragen.

Ein Mann hatte das Tabu erhalten, dass er nicht am Kopf berührt werden durfte. Einmal wurde er vom Doktor untersucht, ob er Fieber hatte. Der Arzt wollte seine Hand auf die Stirn des Mannes legen, als dieser in Ohnmacht fiel. So große Angst hatte er davor, dass ihn der Arzt am Kopf berührt und damit das Tabu bricht. Ist das nicht schlimm?

Ganz besonders schlimm erging es einem kleinen Jungen. Er hatte das Tabu bekommen, dass er keine Bananen essen durfte. Er durfte noch nicht einmal Speisen essen, die in einem Topf gekocht worden waren, in dem zuvor Bananen zubereitet worden waren. Eines Tages ereignete es sich, dass dieser Junge einen Fisch gegessen hatte, der in einem solchen Bananen-Topf gekocht worden war. Stellt euch vor, als der Junge das erfuhr, bekam er Magenkrämpfe und starb bald darauf. Ist das nicht schrecklich?

Ein anderer Aberglaube ist, dass ein Mensch den anderen verzaubern kann. So verfluchte ein Vater seine Tochter, indem er sagte, dass sie oder ihr Kind nach der Geburt sterben werde. Die arme Frau glaubte an diesen Zauberfluch. Sie gebar ein gesundes Kind und wollte es am Leben erhalten. Dafür starb aber die Frau auf rätselhafte Weise. Das kleine Kind brachte man zu Albert Schweitzer in das Hospital, wo es liebevoll aufgenommen und mit einer Flasche aufgezogen wurde. Durch diesen Aberglauben mit den bösen Tabus hatte es aber seine Mutter verloren.

So können Aberglaube und Tabus die Menschen krank machen. Deshalb muss man abergläubische Menschen aufklären. Denn Aberglaube ist eine gefährliche Dummheit.

Doch es gibt auch lustige Geschichten über den Aberglauben. Eine Frau gebar ein Kind im Urwald Hospital. Sie wollte, dass ihr Kind so gut und so klug werden sollte wie der Doktor und nannte den Jungen „Doktor Albert“. Ein Heilgehilfe hatte zwei Töchter. Er wünschte, dass die beiden Mädchen so lieb und so tüchtig werden sollten wie die zwei Gehilfinnen von Albert Schweitzer Emma Haussknecht und Mathilde Kottmann. So nannte er die beiden Mädchen Emma und Mathilde. Aber so etwas gibt es auch bei uns. Wie viele Eltern nennen nicht ihre Kinder nach Schauspielern, Sportlern oder

Schlagerstars! Und so manches Kind muss sich dann sein Leben lang über seinen Namen ärgern, weil die Stars schon längst vergessen sind. Ihr aber habt ja allen so schöne Namen und könnt euch freuen, dass ihr so kluge Eltern habt.

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Albert Schweitzer – Seminar #25

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Was in Afrika anders ist als bei uns

Wenn man von Deutschland in ein anderes Land fährt, ist vieles anders. Aber wenn man von Europa nach Afrika fährt, ist fast alles anders. Das erlebten auch Albert und Helene Schweitzer, als sie aus ihrer Heimat im französischen Elsass in den Urwald am Ogowe kamen. Anders ist natürlich nicht nur das Klima, anders sind auch die Pflanzen und die Tiere und vor allem die Menschen. So wie sich ein Europäer nur schwer vorstellen kann, wie man in Afrika lebt, so weiß auch ein Afrikaner nicht, wie es in Europa zugeht. Der Europäer kennt zum Beispiel keinen richtigen Tropenregen und der Afrikaner keinen Schnee.

So lernten Albert und Helene Schweitzer nicht nur viele neue Dinge in Afrika kennen, sondern mussten den Afrikanern auch viel von Europa erzählen. Die wunderten sich zum Beispiel, dass es in Europa, aber auch in Nordamerika und Australien oft Waldbrände gibt. So etwas haben seine afrikanischen Bekannten noch nicht erlebt. Wisst ihr auch warum das so ist? Im Urwald ist nämlich selbst in der trockenen Jahreszeit die Luft so feucht, dass der Wald nicht brennen kann, auch wenn man versucht, ihn anzuzünden. Wenn Afrikaner ein Stück Urwald roden, um eine kleine Fläche für ihr Gemüse zu gewinnen, schlagen sie Bäume um. Aber das Holz dieser Bäume müssen sie viele Monate lang liegen lassen und vor Feuchtigkeit schützen, damit sie es überhaupt mit viel Mühe anzünden können. Das Tropenklima ist so ähnlich wie eine Sauna. Dort trocknet ja auch kein Holz und der Schweiß tritt einem aus allen Poren, obwohl man sich nicht bewegt. Und die Menschen dort müssen bei diesen Temperaturen noch arbeiten! Wenn sie ein Feuerchen anzünden wollen, müssen sie ganz kleine und dünne Zweige nehmen und zuerst diese anzünden, bevor sie ein richtiges Feuer bekommen, mit dem sie ihr Essen kochen können.

Albert Schweitzer hat einmal seinen afrikanischen Helfern erzählt, dass man in Europa zum Vergnügen auf Flüssen und Seen gerne rudert. Auch das können Afrikaner nicht verstehen. So fragten sie ihn: „Wer befiehlt denn euch Weißen zu rudern?“ „Niemand“, antwortete Albert. „Es muss ihnen aber doch jemand etwas schenken, damit sie es tun?“, fragten sie weiter. „Nein“, sagte der Doktor, „sie tun es ganz freiwillig und umsonst und oft rudern sie sogar um die Wette und strengen sich dabei so an, dass sie ganz erschöpft sind!“ Da schüttelten die Afrikaner nur ungläubig ihre Köpfe und hielten die Europäer für ein bisschen dumm. Wie kann man sich nur in ein Boot setzen und nach allen Kräften rudern, ohne ein Reiseziel zu haben oder Waren zu transportieren? Nur aus Spaß zu rudern, erschien ihnen unvernünftig. Ja, wenn man Fische fangen will, Bananen transportieren muss oder Freunde besuchen möchte, dann setzt man sich natürlich in ein Boot und rudert los. Aber nur so aus Spaß und ohne Ziel und ohne Zweck, das ist doch komisch! Haben die Weißen denn nichts anderes zu tun?

Ganz unverständlich war auch seinen afrikanischen Freunden, dass man in Europa eine Frau heiraten kann, ohne zu bezahlen. Das glaubten sie dem Doktor nicht und vermuteten, dass er sie nur veralbern wollte. „Du hast für deine Helene kein Geld an ihren Vater bezahlt?“, fragten sie misstrauisch. „Die gute Helene arbeitet so fleißig, ist so klug, kann lesen und schreiben und rechnen und ist so lieb: die ist so viel wert, dass man das gar nicht bezahlen kann. Die müsste man hier schon entführen, wenn man sie heiraten wollte!“, rief einer der schwarzen Männer. Da mussten aber Helene und Albert laut lachen. „Nein“, sagte Helene, „mein lieber Mann hat für mich keinen Cent bezahlt und hat mich auch nicht entführt. Er hat zunächst mich gefragt, ob ich ihn heiraten wolle. Da habe ich ,Ja’ gesagt, weil ich ihn liebe und er mich ebenso liebt. Das ist schließlich das Wichtigste im Leben, dass man sich liebt. Und dass man gemeinsam für etwas leben und arbeiten will. Darüber waren wir uns beide einig. Wir wollen uns bei der Hand nehmen und das tun, was uns Jesus gesagt hat: Den Armen und den Leidenden zu helfen. Denn Jesus hat uns befohlen, zu euch zu gehen und euch zu heilen.

Dann hat Albert meine Eltern gefragt, ob sie einverstanden seien, das wir beide heiraten. Darauf antworteten sie beide mit Ja. So haben wir eben geheiratet. Aber das Geld, das Albert gespart hatte, musste er nicht meinen Eltern geben und mich damit bezahlen. Eine Frau ist doch ein Mensch und keine Ware. Sie ist kein Tier, kein Boot und keine Bananenstaude, die man bezahlen muss! Mit dem Geld, das Albert und ich durch unsere Arbeit verdient hatten, bezahlten wir die Schiffsreise zu euch, die Medizin für die Kranken und alle die anderen Dinge, die wir brauchten, um Krankheiten zu heilen.“ Wieder schüttelten die Afrikaner ungläubig ihre Köpfe. Wie kann ein Vater nur seine Tochter so einfach verschenken? In Afrika ist ein Vater von schönen Töchtern ein reicher Mann! Aber gerade das bereitete dem Doktor später auch viele Sorgen. Denn es kam vor, dass aus dem Hospital plötzlich Frauen verschwunden waren. Es stellte sich heraus, dass diese Frauen entführt worden waren. Man hatte sie einfach gestohlen! Ist das nicht schlimm?

Heute ist das nicht mehr ganz so, vor allem nicht in Lambarene. Da passt man auf die Frauen gut auf, damit sie nicht entführt werden. Vor allem aber klärt man die Menschen auf, dass Frauen keine Ware sind, sondern gleichbe­rechtigte und gleichgeachtete Menschen. Ja, sie verdienen eigentlich noch mehr Achtung als die Männer, denn sie schenken ja durch ihre Kinder das Leben.

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