Albert Schweitzer – Seminar #23

Fräulein Emma und ihr Fiffi

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Ihr erinnert euch sicher, dass Albert Schweitzer am Beginn seiner Arbeit im Urwald nur zwei Helfer hatte. Diese waren seine liebe und tüchtige Frau Helene und der afrikanische Koch Joseph. Doch später kamen immer mehr treue Helferinnen und Helfer hinzu. Eine von ihnen war Emma Haußknecht. Sie war zuvor Lehrerin und stammte wie Albert auch aus dem Eisass. Nachdem sie von Albert Schweitzer gehört hatte, gab sie ihren Beruf auf und ging im Jahr 1925 auch nach Lambarene, um ihm zu helfen. Dort wurde sie im Urwaldkrankenhaus Pflegerin. Über 30 Jahre wirkte sie an der Seite des Urwalddoktors.

Emma Haußknecht war eine sehr kluge und fleißige Frau mit viel Herz für die leidenden Menschen, aber auch für die Tiere. Emma leitete den ganzen Haushalt der Klinik. Sie achtete auf den Koch, dass er das Essen sauber zubereitete und das Trinkwasser lange genug abkochte. Von ungekochtem Wasser konnte man nämlich sehr krank werden. Sie achtete auch darauf, dass die Bettwäsche und die Nachthemden der Kranken gründlich gewaschen und wieder geflickt wurden, wenn sie eingerissen waren.

Sie pflegte den Garten, in dem Obst und Gemüse wuchsen. Sie leitete den Bau der Häuser, wenn Albert Schweitzer nicht im Hospital war, schrieb Briefe, führte Buch über die Rechnungen und war bei den Afrikanern eine beliebte und geachtete Frau. Auch hielt sie in ganz Europa Vorträge über das Leben im Hospital und sammelte Spenden für die Pflege der Kranken in Lambarene. Ihr wisst ja schon, dass es im Urwaldhospital nicht nur Menschen gab, um die man sich kümmerte. Es lebten dort auch viele, viele Tiere, die verletzt oder auf andere Weise in Not geraten waren. Aber man hielt dort auch Haustiere, weil man Nahrungsmittel brauchte. So gab es viele Ziegen, die gemolken wurden, um den kleinen Kindern wenigstens eine Tasse Milch am Tag geben zu können. Auch fütterte man Hühner, um Eier zu erhalten. Denn eine Kaufhalle, in der man schnell einmal ein paar Milchflaschen oder Eier kaufen konnte, gab es im Urwald natürlich nicht.

Um alle diese Tiere sorgte sich auch die treue Emma Haußknecht. Mit den Hühnereiern hatte sie aber auch manchmal ihre Probleme. Im Hühnerstall befanden sich nämlich Nester, in die die Hennen ihre Eier legen konnten. Damit die Hennen wussten, wozu diese Nester gebaut worden waren, legte Emma weiße Gipseier hinein. Auf sie sollten sich die Hühner dann gemütlich setzen und ihre eigenen Eier dazu legen. Das taten sie auch, denn die Hühner sind gar nicht so dumm. Aber es gab im Hospital leider auch kleine Spitzbuben und Schlingel. Einer von ihnen beobachtete, wie Emma an einem schönen Tag einen Korb voller Eier aus dem Hühnerstall trug und in die Hospitalküche brachte. Der Schlingel aber dachte: „Diese Eier könnte ich auch selber essen!“ Nach einer Weile schlich er sich in den Hühnerstall und erblickte dort in jedem Nest ein weißes Ei. Schnell steckte er sich die Eier in die Tasche und verschwand in seiner Hütte. Doch am nächsten Tag lief er schreiend zu Emma Haußknecht und rief: „Diese Eier sind verzaubert!“ „Warum?“, fragte ihn Emma. „Sie sind hart wie Stein und man kann sie nicht essen!“, schimpfte der Schlingel. Emma fasste die Eier an und merkte sofort, dass es die Gipseier aus dem Hühnerstall waren. Da schimpfte nun auch sie auf den Spitzbuben: „Du hast die Eier gestohlen! Die sind nicht verzaubert, sondern aus Gips! Zur Strafe für diesen Diebstahl wirst du jetzt den Hühnerstall ausmisten!“ Der Schlingel war ganz verlegen, denn es tat ihm leid, dass er gestohlen hatte. Außerdem schämte er sich, weil ihn seine Freunde auslachten und riefen: „Das geschieht dir recht! Du bist nicht nur ein Dieb, du bist auch noch ein Dummkopf!“ Schnell machte sich der Schlingel daran, den Hühnerstall zu säubern und seine Schuld zu büßen. Er hat es auch nie wieder getan, und Emma hatte ihm längst alles vergeben.

Aber die gute Emma hatte auch ein „Baby“. Das war kein kleines Menschen-Kind, sondern ein junges Äffchen. Es hieß Fiffi und war ein Schimpansen-Kind. Schimpansen sind übrigens die nächsten Verwandten des Menschen und haben viele Eigenschaften mit uns gemeinsam. Fiffi war ein ganz liebes Tier und hing dem Fräulein Emma stets an der Schürze. Für Fiffi war Emma so etwas wie eine Mutti. Der kleine Fiffi hatte nämlich keine richtige Mutter mehr. Ein böser Jäger, der durch den Urwald geschlichen war, hatte die Schimpansenmutter mit seinem Gewehr einfach totgeschossen. Jemand hatte das verlassene Schimpansen-Kind im Laub liegen sehen und aufgehoben. Es war ganz hungrig und hatte Angst. Sein kleines Gesichtchen war richtig schrumpelig und traurig anzusehen. Der Finder brachte das Äffchen zu Fräulein Haußknecht, die sich beim Anblick des kleinen Wesens erschreckte. Doch sie nahm es an sich und fütterte es wie ihr eigenes Kind. Sie gab ihm mit einem Fläschchen warme Milch und mit einem Löffel etwas Reisbrei mit Zucker. Den Brei pappte das Tierchen am liebsten. Fiffi nahm nun Fräulein Emma als neue Mutti an. Ohne sie würde es ja verhungern oder von Schlangen gefressen werden. Emma musste ihr „Baby“ nicht nur füttern, sondern es auch in Windeln einwickeln, damit es nicht sein Körbchen und das Zimmer verschmutzte. Im Urwald war das natürlich alles nicht nötig, aber hier im Hospitaldorf musste alles schön sauber bleiben. So hatte Fräulein Emma neben ihrer vielen Arbeit im Hospital auch noch ihr Tun mit ihrem Fiffi. Einmal war etwas ganz Ulkiges passiert. Emma kam plötzlich ganz aufgeregt aus der Küche gelaufen und rief: „Wo ist Fiffi?“ Sie fürchtete, dass ihr „Baby“ weggelaufen sein könnte und von Hunden gebissen, von Schlangen gefressen worden wäre. Oder ist es gar im Ogowefluss ertrunken? Doch alle Leute, die das aufgeregte Fräulein Haußknecht sahen, mussten laut lachen: Fiffi hatte sich auf Emmas Rücken festgeklammert, wie es junge Äffchen im Urwald bei ihren Müttern tun. Fräulein Emma aber hatte das gar nicht bemerkt und hatte ihren Fiffi gesucht, obwohl er fröhlich an ihrem Rücken hing.

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Albert Schweitzer – Seminar #20

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Wie Albert Schweitzer sein Hospital zum zweiten Mal aufbaute

Sieben Jahre, nachdem Albert sein Hospital wegen des Krieges verlassen musste, konnte er wieder dorthin zurückkehren. Als er die Stelle betrat, wo einst sein Krankenhaus stand, war kaum noch etwas davon zu sehen. Überall wuchsen Gras, Sträucher und Bäume. So musste alle Arbeit von vorne beginnen. Sträucher und Bäume wurden gerodet, alte Baracken wurden repariert und ein Haus nach dem anderen neu erbaut. Insgesamt baute Albert Schweitzer mit seinen Helfern 75 Häuser in seinem immer größer werdenden Hospital. Das war auch notwendig, denn es kamen immer mehr Menschen aus allen Teilen des Landes Gabun, so hieß die frühere Kolonie jetzt, zu ihm und wollten geheilt werden.

Glücklicherweise war Albert Schweitzer nun nicht mehr allein. In vielen Ländern der Erde hatte man von ihm gehört. Auch seine Idee der Ehrfurcht vor dem Leben hat viele Herzen gewonnen. So kamen auch Ärzte und Krankenschwestern und -pfleger aus Europa und Amerika zu ihm, um ihm zu helfen. Ebenso spendeten viele Menschen der Welt Geld für Medikamente und Geräte, die das Hospital brauchte. Die Amerikaner nannten den Doktor Schweitzer „Mister Wellblech”. Seine Häuser und Baracken waren nämlich nicht mehr wie früher mit Palmenblättern, sondern mit Wellblech gedeckt. Das hatten die Amerikaner geschickt und das hielt natürlich viel besser den Regen ab.

Die Amerikaner waren es übrigens auch, die während des noch viel schrecklicheren Zweiten Weltkrieges Medikamente nach Lambarene schickten, sonst hätte das Albert-Schweitzer-Hospital erneut geschlossen werden müssen. Aus Europa konnten keine Schiffe mehr nach Lambarene gelangen. Die wurden alle von deutschen U-Booten versenkt.

In Amerika war Albert Schweitzer sehr bekannt und geachtet. Dafür hatte seine Frau Helene mit ihren Vorträgen gesorgt. Sie musste ja aus Deutschland fliehen, weil sie eine Jüdin war. Die Nazis haben alle Juden verfolgt und getötet. Die Nazis hatten keine Ehrfurcht vor dem Leben, sondern waren voller Hass auf alles, was anders war als sie. So sind die Neonazis noch heute. Wir aber wissen ja, wie gute Menschen auch die Juden sind, denn wir erinnern uns an den Juden Mausche, dem der kleine Albert in Gimsbach beigestanden hat.

Albert Schweitzer hat bis zu seinem 90. Lebensjahr in Lambarene gewirkt. Von dort aus hat er sich auch sehr für den Frieden in der Welt eingesetzt. Er rief die Politiker auf, das Wettrüsten zu beenden und die Atomversuche einzustellen. Weil er soviel in seinem Leben für die Menschen und für den Frieden geleistet hat, wurde ihm der Friedensnobelpreis verliehen. Man nannte ihn auch den „Dreizehnten Jünger Jesu“ und er wurde ein Vorbild für alle Menschen guten Willens. Er soll es auch für euch sein, liebe Kinder!

Im Jahr 1965 ist Albert Schweitzer gestorben. Doch sein Hospital besteht immer noch. Es ist sogar noch viel größer und moderner geworden. Jetzt arbeiten viele Afrikaner im Hospital, die Albert Schweitzer und seine weißen Ärzte ausgebildet haben. So hilft man den armen Ländern am besten.

Auch Albert Schweitzers Idee von der Ehrfurcht vor dem Leben wirkt weiter. Denn viele, viele Menschen helfen überall in der Welt Armen, Kranken und Verfolgten. Aber viele, viele Menschen auf der Welt tragen auch dazu bei, dass Frieden herrscht, dass unsere schöne Natur erhalten bleibt und dass Tiere und Pflanzen geschützt werden. Ihnen allen ist das Leben heilig. Das sollte auch weiter so bleiben. Vielleicht könnt auch Ihr dazu etwas beitragen. Ihr werdet sehen, welche Freude es euch bereitet. Es ist viel schöner als aller Reichtum der Welt, wenn man Gutes tun kann. Sucht euch jemanden, der Hilfe braucht. Sucht euch ein kleines Nebenamt.

Albert Schweitzer hat einmal gesagt:

“ Tut die Augen auf und sucht, wo ein Mensch ein bisschen Zeit, ein bisschen Teilnahme, ein bisschen Gesellschaft, ein bisschen Fürsorge braucht.”

Jeder kann sich ein kleines Lambarene schaffen. Und sucht euch Menschen, die so denken wie Albert Schweitzer dachte.

Als Albert Schweitzer gestorben war, waren alle Menschen in Lambarene und im ganzen Land traurig. Sie sagten: „Wir haben einen Vater verloren!“ Aber in ihren und in unseren Herzen lebt er ja weiter.

„Lambarene ist das Symbol meines Denkens.“ Albert Schweitzer

„Das Stückchen Erde, das er dem Urwald abgerungen hat, ist eben mehr als ein Spital, es ist ein Modell dessen, was sein könnte, wenn mehr Liebe und Güte in der Welt herrschen würden. Hier haben sich nun seit 1913 Menschen fast aller europäischen Nationen helfend betätigt. Hier gab es keine Verfol­gung aus rassischen und politischen Gründen, hier hat man alles Leben respektiert und zu erhalten gesucht.

Lambarene ist eine Arche inmitten der großen Sintflut, bewohnt von Schwarzen und Weißen, Protestanten, Katholiken, Juden, Heiden, Katzen und Hunden und Ziegen und zahmen Wildschweinen und Pelikanen und Menschenaffen und Antilopen. “ Robert Jungk

Albert Scheitzer – Seminar #18

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Die Geschichte vom Krieg, der Leid bringt und Gutes zerstört

Als Albert und Helene ihr kleines Hospital mit seinen Baracken. Wohnhäuschen und den Operationssaal endlich aufgebaut hatten und jeden Tag kranke Menschen behandeln konnten, brach in Europa ein großer Krieg aus. Später nannte man ihn den Ersten Weltkrieg. In diesem Krieg waren Deutsche und Franzosen nicht Freunde, wie das heute der Fall ist. Die Menschen wurden aufgehetzt, fühlten sich als Feinde und schossen einander tot. Krieg ist das Schlimmste, was den Menschen passieren kann. Deshalb muss man alles tun, um ihn zu verhindern.

Auch für Albert und Helene Schweitzer bedeutete dieser Krieg großes Leid, denn er zerstörte ihr ganzes Lebenswerk. Sie beide waren ja Deutsche. Aber das Land, in dem ihr Hospital stand, gehörte zu Frankreich. Für die Franzosen waren Albert und Helene Schweitzer nun auf einmal Feinde, obwohl sie nichts Böses getan hatten. Im Gegenteil: Sie hatten nun wirklich das Beste getan, was ein Mensch überhaupt tun kann, nämlich anderen Menschen helfen, gesund zu werden. So widersinnig ist eben der Krieg. Jedenfalls befahl ein französischer General, dass die Schweitzers in ihrem selbst erbauten Hospital nicht mehr arbeiten durften. Sie wurden in ihr Doktorhaus eingesperrt und durften es nicht mehr verlassen. Vor dem Haus stand ein Soldat mit einem Gewehr Wache. Der arme Kerl stand während des ganzen Tages in der prallen Sonne und passte auf, dass niemand das Haus verließ. Das tat Albert Schweitzer leid. Er nahm sich ein paar Bretter, eine Säge, Hammer und Nägel und baute ein kleines Wachhäuschen. Das stellte er vor die Tür des Hauses, in dem er eingesperrt war. Dann sagte er dem Soldaten, er solle sich doch hineinstellen, was er auch tat. So war er wenigstens vor der Sonne und dem Regen geschützt. Der einfache Soldat konnte ja ebenso wenig etwas für den Krieg wie Albert Schweitzer und beide waren Menschen, die sich von Natur aus nicht böse waren.

Inzwischen hatten aber die Kranken im Hospital und ihre Familienange­hörigen darüber geklagt, dass sie nicht mehr vom Doktor und seiner Frau behandelt werden durften. Daraufhin ließ der General die beiden Schweitzers doch wieder zu den Kranken.

Doch eines Tages mussten sie doch noch ihre Sachen packen. Der Krieg in Europa war immer schrecklicher geworden. Millionen Menschen waren schon getötet worden und der Hass zwischen den Ländern wurde immer stärker. Albert und Helene Schweitzer wurden als Gefangene auf ein Schiff gebracht und nach Frankreich transportiert. Dort kamen sie in ein großes Gefangenenlager, wo sie hungerten und froren. Beide wurden sehr krank.

Erst als der Krieg zu Ende war, wurden Albert und Helene Schweitzer freigelassen und konnten wieder in ihr Heimatdorf zurückkehren. Dort erfuhren sie, dass Alberts Mutter gestorben war. Sie wurde von deutschen Soldatenpferden umgerannt und hatte sich dabei so schwer verletzt, dass sie starb. Auch Alberts Vater hatte durch den Krieg sehr gelitten und war krank. Das alles war sehr traurig für Albert und Helene. Denn außer ihrem Kummer im Gefangenenlager und im Heimatdorf war nun ihr mühsam erbautes Urwaldhospital ohne Arzt und Schwester. Kein Mensch konnte sich mehr um die Kranken kümmern. Lange würde das Hospital sicher nicht bestehen können.

Wir merken uns:

Krieg ist etwas ganz Böses. In ihm werden unschuldige Menschen getötet oder verletzt und es wird zerstört, was fleißige Menschen vorher geschaffen haben. Jeder Mensch muss deshalb etwas für den Frieden tun und gegen den Krieg sein. Denn es heißt zu Recht: Du sollst nicht töten!

Albert Schweitzer hat gezeigt, dass man auch seine Feinde lieben soll. Sie wissen nämlich oft nicht, was sie tun.

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Albert Schweitzer – Seminar #14

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Wie Albert Schweitzer Häuser baute

Immer mehr Kranke kamen zu Doktor Albert Schweitzer und seiner Frau Helene. Von morgens bis abends arbeiteten sie schwer. Sie operierten, impften; verbanden die kranken oder verletzten Menschen, die oft lange geduldig warten mussten, bis sie an der Reihe waren. Doch wo sollten sie die vielen Kranken und ihre Familienangehörigen unterbringen? Sie konnten ja nicht immer im Freien schlafen! Sie mussten vor der Hitze und vor den heftigen Tropengewittern geschützt werden. Also mussten Baracken gebaut werden. Doch es gab im Urwald keine Baufirma, die das erledigte, und es gab auch keinen Baumarkt, wo man Bretter und Nägel kaufen konnte. Also musste alles selbst geschaffen werden.

So zog Albert Schweitzer mit starken Männern, die ihre kranken Frauen im Hospital hatten, in den nahen Urwald. Dort fällten sie große Bäume und zersägten sie. Die Arbeit war bei der Hitze schwer und der Schweiß rann ihnen in Strömen von der Stirn. Die zersägten Bäume wurden dann an das Ufer des Flusses gerollt oder getragen und von dort in Kähne geladen und zu einem fernen Sägewerk gebracht. Danach kamen die Bretter dann wieder zurück und wurden zum Trocknen aufgestapelt. Auch dabei hat Albert geholfen, obwohl er schon vom Operieren ziemlich müde war. Doch er trug die Bretter mit wie alle anderen Männer. Da kam ein Afrikaner in vornehmem Anzug vorbei. Albert rief ihm zu: „He, Kamerad, helfen Sie uns bitte die Bretter tragen. Es wird gleich regnen und die Bretter werden nass!“ Aber der Afrikaner antwortete: „Das ist keine Arbeit für mich! Ich bin ein Studierter!“ Albert schüttelte nur den Kopf und sagte: „Schade, dass ich kein Studierter bin!“ Dabei hatte Albert Schweitzer viel mehr und viel länger studiert als der „vornehme“ Afrikaner!

Was hatten die fleißigen Hände  von Albert Schweitzer nicht alles zu tun! Am Vormittag mussten sie operieren, impfen und Salben auftragen; am Nachmittag galt es, Pfähle zu setzen, Dächer zu decken und Bretter zu nageln; abends spielten sie auf dem Tropenklavier und nachts schrieben sie Briefe und dicke Bücher. Nur wenige Stunden der Ruhe waren ihnen vergönnt.

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Wir merken uns: Kein Mensch ist für einfache Arbeiten zu schade. Man soll jede Arbeit achten und auch bereit sein, sie zu verrichten.

 

Albert Schweitzer – Seminar #13

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Die Geschichte vom Hühnerstall und vom Arzthelfer Joseph

Die siebzig Kisten standen am Ufer des Flusses. Da bekamen sie plötzlich viele schwarze Beine und wanderten den Hügel hinauf zum Holzhaus des Doktors und seiner Frau. Als der Doktor genauer hinsah, bemerkte er viele schwarze Jungen und Mädchen mit kurzen, krausen Haaren, die die Kisten hoch trugen und dabei lachten und schwatzten. Als alle Kisten im Doktorhaus untergebracht waren, stand nur noch das Klavier am Fluss. Das war aber zu schwer für die Kinder. Da mussten starke Männer kommen und das Instrument ins Haus tragen. Albert Schweitzer spielte nämlich abends nach der Arbeit immer auf dem Klavier Musikstücke von Johann Sebastian Bach oder schöne Choräle.

Schon als Albert und Helene die Kisten auspackten, kamen die ersten Kranken zu ihnen. Die meisten fuhren in Einbaumbooten auf dem Ogowefluss zur Station. Es hatte sich nämlich durch Buschtrommeln herumgesprochen, dass ein weißer Oganga in Lambarene ist. Ein Oganga ist ein Zauberer, der Menschen krank und wieder gesund machen kann. Aber Albert sagte ihnen, dass er kein Zauberer sei und auch niemanden krank machen will und kann.

Das sei nur böser Aberglaube. Aber die Kranken kamen nicht allein, sondern mit ihren Familien. Für die Behandlung mussten sie bezahlen. Weil die meisten kein Geld hatten, bezahlten sie mit Hühnern, Bananen oder Bambusstäben. Das alles brauchte der Doktor zur Ernährung und Unter­bringung der Menschen. Es gab nämlich noch gar kein Krankenhaus. Albert und Helene mussten im Freien operieren. Das war sehr mühsam, denn die Sonne schien heiß vom Himmel und wenn es regnete, mussten sie die Operation unterbrechen. Abends waren beide immer todmüde.

Doch bald kam Hilfe. Der Missionar zeigte ihnen einen kleinen Hühnerstall. Den konnten sie als „Operationssaal“ nutzen. Natürlich musste der Stall zuvor gründlich gesäubert werden. Aber nun mussten Albert und Helene nicht mehr in der heißen Sonne stehen und waren auch vor dem Regen geschützt. Der kleine Hühnerstall war der Anfang ihres Hospitals. Eine zweite Hilfe war der Joseph. Er war früher Koch gewesen und konnte acht Stammessprachen sprechen, außerdem französisch und englisch. So konnte er immer alles übersetzen, was der Doktor zu den Kranken sagte. Nur schreiben und lesen konnte Joseph nicht, denn er war nie in eine Schule gegangen. Der Doktor musste den Kranken ganz wichtige Hinweise geben: „Ihr dürft nicht in der Nähe des Krankenhauses hinspucken!“ Oder: „Ihr müsst eure Medizin so einnehmen, wie ich es euch sage!“ Zuerst haben sie nämlich oft alle Tabletten oder die verordneten Tropfen auf einmal geschluckt. Das war gefährlich und das darf man nicht. Weil Joseph früher Koch war, benutzte er auch Ausdrücke wie Fleischer. So sagte er zum Beispiel: „Der Mann hat Schmerzen am Kotelett.“ Oder: „Dieser Frau tut das Filet weh!“. Manche Kranke nahmen überhaupt keine Medizin ein. Sie glaubten, der Doktor würde sie durch Zauber heilen. Aber auch das ist schlimmer Aberglaube. Das alles mussten ihnen Albert und Helene geduldig erklären.

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Albert Schweitzer – Seminar #6

Die Geschichte vom Ringkampf

In Alberts Schulklasse gab es einen Jungen, der hieß Georg. Er war der Größte und alle hielten ihn auch für den Stärksten. Viele hatten mit ihm schon gerungen und dabei verloren.

Georg war auch ein Angeber. Er protzte mit seiner Stärke und forderte die anderen Jungen auf, mit ihm zu kämpfen. Aber die meisten hatten Angst vor ihm. Da sprach er auch den Albert an: „Du Herrenbüble bist wohl zu fein mit mir zu kämpfen?“ Georg nannte den Albert Herrenbüble, weil er immer ordentlich angezogen war und weil sein Vater nicht Bauer oder Tischler, sondern Pfarrer war. Albert ärgerte sich über diese Verspottung als Herrenbüble, wollte aber trotzdem nicht mit ihm kämpfen, weil er keinen Spaß am Ringkampf hatte. Doch als der Georg ihn einen Feigling nannte, legte Albert seine Schiefertafel in das Gras und sagte: „Los. kämpfen wir!“

Die beiden Jungen rangen miteinander und keuchten vor Anstrengung. Die anderen Jungen und Mädchen standen um sie herum und feuerten die beiden Kampfhähne an. Da gelang es Albert, den Georg auf den Boden zu werfen und festzuhalten. Alle riefen: „Bravo, Albert!“ Sie freuten sich nämlich, dass Albert den Angeber besiegt hatte. Doch Georg wischte sich den Schweiß von der Stirn und brummte böse: „Wenn ich auch jede Woche eine Fleischsuppe essen könnte wie der Albert, wäre ich auch so stark!“

Darüber erschrak der Albert sehr. Er schämte sich, dass es ihm besser ging als den anderen Kindern von Eltern, die nicht so viel Geld hatten, um ihren Kindern eine Fleischsuppe zu kochen. Sie aßen immer nur Mehl- oder Brotsuppen, von denen man nicht so stark wurde wie von Fleischsuppe. Als die anderen Kinder dem Albert zu seinem Sieg gratulieren wollten, drehte er sich still um und ging nach Hause.

Zuhause gab es zufällig gerade Fleischsuppe. Die Schüssel stand auf dem Tisch und roch gut. Alle hatten Appetit und langten zu, Alberts Eltern, der Bruder und die Schwestern. Nur Albert mochte nicht essen. Die Eltern wunderten sich sehr. Sie schimpften mit ihm: „Albert, warum isst du die gute Suppe nicht? Die Mutter hat sie mit so viel Liebe gekocht! Deine Geschwister essen sie doch auch!“ Doch Albert aß einfach nichts, weil er immer an Georgs Worte und die anderen Kinder denken musste, die es nicht so gut hatten wie er. Ohne etwas gegessen zu haben, stand Albert vom Tisch auf und ging in sein Zimmer.

Albert nahm sich fest vor, nie mehr Fleischsuppe zu essen und sich auch nicht mehr gut anzuziehen, damit die anderen nicht wieder „Herrenbüble“ zu ihm sagen konnten. Aber er beschloss auch, nie mehr einen Ringkampf zu machen, denn er wollte nicht, dass andere wegen seiner Kraft verlieren. Er empfand es als ungerecht, dass er stärker war als die anderen Kinder.

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