Die Geschichte vom Ringkampf
In Alberts Schulklasse gab es einen Jungen, der hieß Georg. Er war der Größte und alle hielten ihn auch für den Stärksten. Viele hatten mit ihm schon gerungen und dabei verloren.
Georg war auch ein Angeber. Er protzte mit seiner Stärke und forderte die anderen Jungen auf, mit ihm zu kämpfen. Aber die meisten hatten Angst vor ihm. Da sprach er auch den Albert an: „Du Herrenbüble bist wohl zu fein mit mir zu kämpfen?“ Georg nannte den Albert Herrenbüble, weil er immer ordentlich angezogen war und weil sein Vater nicht Bauer oder Tischler, sondern Pfarrer war. Albert ärgerte sich über diese Verspottung als Herrenbüble, wollte aber trotzdem nicht mit ihm kämpfen, weil er keinen Spaß am Ringkampf hatte. Doch als der Georg ihn einen Feigling nannte, legte Albert seine Schiefertafel in das Gras und sagte: „Los. kämpfen wir!“
Die beiden Jungen rangen miteinander und keuchten vor Anstrengung. Die anderen Jungen und Mädchen standen um sie herum und feuerten die beiden Kampfhähne an. Da gelang es Albert, den Georg auf den Boden zu werfen und festzuhalten. Alle riefen: „Bravo, Albert!“ Sie freuten sich nämlich, dass Albert den Angeber besiegt hatte. Doch Georg wischte sich den Schweiß von der Stirn und brummte böse: „Wenn ich auch jede Woche eine Fleischsuppe essen könnte wie der Albert, wäre ich auch so stark!“
Darüber erschrak der Albert sehr. Er schämte sich, dass es ihm besser ging als den anderen Kindern von Eltern, die nicht so viel Geld hatten, um ihren Kindern eine Fleischsuppe zu kochen. Sie aßen immer nur Mehl- oder Brotsuppen, von denen man nicht so stark wurde wie von Fleischsuppe. Als die anderen Kinder dem Albert zu seinem Sieg gratulieren wollten, drehte er sich still um und ging nach Hause.
Zuhause gab es zufällig gerade Fleischsuppe. Die Schüssel stand auf dem Tisch und roch gut. Alle hatten Appetit und langten zu, Alberts Eltern, der Bruder und die Schwestern. Nur Albert mochte nicht essen. Die Eltern wunderten sich sehr. Sie schimpften mit ihm: „Albert, warum isst du die gute Suppe nicht? Die Mutter hat sie mit so viel Liebe gekocht! Deine Geschwister essen sie doch auch!“ Doch Albert aß einfach nichts, weil er immer an Georgs Worte und die anderen Kinder denken musste, die es nicht so gut hatten wie er. Ohne etwas gegessen zu haben, stand Albert vom Tisch auf und ging in sein Zimmer.
Albert nahm sich fest vor, nie mehr Fleischsuppe zu essen und sich auch nicht mehr gut anzuziehen, damit die anderen nicht wieder „Herrenbüble“ zu ihm sagen konnten. Aber er beschloss auch, nie mehr einen Ringkampf zu machen, denn er wollte nicht, dass andere wegen seiner Kraft verlieren. Er empfand es als ungerecht, dass er stärker war als die anderen Kinder.
Vor Alberts Sicht, der Sicht eines Buben, ziehe ich meinen Hut. Dennoch habe ich ein bisschen Bauchschmerzen mit dieser Art von “Denke”, den anderen geht es nicht besser, sie werden auch nicht stärker, wenn ich persönlich keine Fleischsuppe esse, wenn ich sie aber mit den anderen teile, sieht es schon wieder ganz anders aus, aber das konnte der kleine Albert wohl nicht einfach so tun.
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Ja, da hast du recht, Ulli. Erst wenn man über seine eigenen Sachen (Geld, Besitz, Essen etc.) verfügen kann, stellt es sich heraus, wie es um die eigene Menschlichkeit steht. Das hat Albert Schweitzer später als Arzt in Afrika bewiesen. Viele liebe Grüße aus Kanada!
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Many new words and expressions for me here, but a good challenge. And I continue to like young Albert more and more.
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Very intersting story, that a kid takes responsibility for his actions in that kind of way.
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He was quite a man, even as a boy!
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Er war ganz offensichtlich bereits als Kind ziemlich bemerkenswert.
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So much wisdom and compassion, already in that young age of Albert Schweitzer.
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Albert was truly an exceptional child not just with his amazing skills playing the church organ but also showing so much compassion for all living things.
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wunderbare, bewegende Geschichte, lieber Peter. Man kann viel davon lernen. Liebe Grüße Mitza
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Mich warf einst ein Junge auf dem Schulhof hin – das vergesse ich nie. Gemäss meinem Verständnis konnte ich mich nicht wehren, weil ich in der Auseinandersetzung mit meinem älteren Bruder körperlich gänzlich aussichtslos war. Ich fürchtete immer seinen Zorn. Das übertrug sich somit in einer allgemeinen physischen Wehrlosigkeit.
Diese Geschichten beobachte ich immer wieder!! Die ältere Schwester, die den kleineren Bruder allzeit niedermacht. Sie macht dann den guten Weg ins Erwachsenenleben, der kleine Junge hat es sehr schwerer, gut ins Erwachsenen-Leben zu kommen.
All diese Überlegungen bzgl. Zurücknahme müssen vor solchen Bildern gesehen werden.
Wie sieht es heute aus, FERN von diesen Kindergeschichten??
Ich bin nur ab und an hilfreich und verstehend Schwächeren gegenüber. Ihre Hilflosigkeit macht mich manchmal wütend. Ihr Nichthinzulernen, ihre Schwäche, ihre Antriebslosigkeit und ihr Blamen der Umstände.
Ich kenne ihre Geschichte nicht. Weiß nicht, wieso das dahin führte wie es jetzt ist.
Ich helfe gerne, wenn ich Bereitschaft sehe, sich selbst aus dem Dreck zu ziehen.
Was soll ich sagen?
Hilfsbereitschaft im übrigen hat ja auch manchmal deutlich negative Seiten, die man so nicht ohne weiteres sieht.
– Den anderen von sich abhängig machen, ihn in der Schwäche belassen/halten.
– Eigene Themen nicht verfolgen
– Sich gut (und überlegen) fühlen, weil man hilfreich sein kann.
Ich sehe nur dann Hilfsbereitschaft als gut, wenn sie punktweise geschieht und dann den anderen machen lässt. Dranbleiben signalisiert ein grösseres Bedürfnis des Helfenden für sich selbst. Man kann später wiederkommen und wieder einen Anstoß geben, aber damit hat es sich für den Moment.
Wenn man Hilfe anbietet, dann verpflichtet man sich auch mehr oder weniger. Beim Vertreiben der Deutschen aus den Gebieten der Tschechei sagte ein maßgeblicher Mann eines Dorfes zweimal zu einer Mutter: Wenn es eng wird, dann kannst Du mit uns zusammen fliehen. Diese Mutter vertraute (irrigerweise) auf diese Aussage. Als es soweit war, war der Mann verschwunden, war mit 2, 3 Angehörigen geflohen. Es ist daher ein Frevel, Hilfe anzubieten, wenn man es nicht einhalten kann (oder will). So wird dem Hilfsbedürftigen Kraft entzogen, SELBST für Rettung zu sorgen.
Es gibt noch ähnliche Geschichten um Krankheit ect aus meinem persönlichen Umfeld, die will ich nicht auch noch bringen.
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Lieber Gerhard, da hast du dir mal wirklich Luft gemacht. Das hat dir gewiss gut getan. Mir sind ähnliche Sachen passiert. Ich könnte hier einen ganzen Post schreiben. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass wenn einer von oben getreten wird, besteht die Versuchung des Getretenen, nach unten weiter zu treten. Man kann das Phänomen auch bei Tieren beobachten, wie zu Beispiel auf dem Hühnerhof. Vielen Dank für deinen so ehrlich geschriebenen Kommentar!
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