Kein Unterschied, Homunkulus!
By Peter Klopp
After Biene and I had met for the second time at Lake Baldeney (near Essen, Germany) in July 1964, I composed for her the following short story. I deliberately left out the final two paragraphs to give all my readers a chance to ponder about how the story will end. If you want to place your guess into the comment section, that would be cool. I will publish the end of the story on Wednesday’s post. My apologies to all, who don’t know German. But it would have been too time-consuming to translate such a lengthy piece of writing.
Paps war ausgegangen, Nahrung zu holen. Eigentlich war er noch kein Vater, aber sie nannte ihn so, und das war entscheidend. Tief unter dem Erdreich saß sie in der gemütlichen Stube und betrachtete liebevoll ihren Leib. Sie dachte an die Kinder, die da kommen würden, und horchte still in sich hinein, ob sie nicht vielleicht schon ein zartes Pochen der Herzchen vernehmen könnte. Ihre schwarzen Äuglein leuchteten zufrieden, sie ging ihrer Erfüllung entgegen.
Und wo aber auch?! Mit keinem Palast dieser Erde hätte sie die so nützlich und sicher angelegte Wohnung getauscht, die ihr Mann in unermüdlicher Arbeit aus dem Erdreich gestampft hatte. Er hatte für alles gesorgt: Die Kinderzimmer grenzten mit ihren niedlich ausgerundeten Eingängen an die gute Stube und das Schlafzimmer der Eltern. Mit ihnen verbunden war ein lang sich erstreckenden Gang wohl drei Körperlängen hoch und mehr als dreißig solcher Längen lang, in dem die Kinder ungestört herumtollen könnten, wenn sie erst einmal ein wenig größer geworden sind. Und was den kommenden Winter anbetraf, so hatte ihr Mann mehr getan als alle Männer dieser Welt. Die Kornkammer war zum Bersten voll, genug, um eine zwölfköpfige Familie den Winter durchzubringen. Das wäre alles jedoch kein Weizenkörnchen wert gewesen, wenn nicht der umsichtige Vater auch für die Sicherheit gegen Wetter und Feind gesorgt hätte.
Wie lange mussten sie eigentlich schon unter der Erde leben? In den langen Winterabenden, wenn einem das schlafen manchmal zu langweilig wurde, dann räkelte sich Paps voller Tatenlust auf dem Rücken hin und her und erzählte, da es doch nichts zu schaffen gab, was er von seinen Ahnen wusste. Früher, da alle Wesen noch freundlich zueinander waren und sich nichts zu Leide taten, sprangen auch sie noch lustig und unbekümmert unter Gottes freier Natur herum. Aber seit das große Morden begann und nicht mehr aufhören wollte, da mussten auch sie unter die Erde. Zuerst begnügte man sich mit einem Eingang zur Wohnung. Doch die ewig lauernden mordgierigen Feinde belagerten ihn, bis man es innen vor Hunger und Angst nicht mehr aushalten konnte und sich in ihre Klauen warf. Man baute dann zwei, drei, dann ganz viele Ausgänge. So gab es immer ein Entrinnen. Mochten auch Tod und Verderben eine Pforte umschleichen, mit Sack und Pack würden sie dann durch ein unsichtbares Hintertürchen entwischen.
Während sie sich das alles überlegte und immer wieder ihren Bauch liebkoste, fiel ihr der Schlauste aller Väter wieder ein, ihr Mann. Emsig hatte er tiefe Schächte gegraben und viel Sand und Geröll ans Tageslicht geschleift. Nur drei davon hatte er mit einander durch Gänge verbunden und zur jetzigen Wohnung ausgebaut. Die anderen dienten zur Täuschung des bösen Feindes. Ob er je bei so vielen den richtigen Eingang fände? Wohl kaum. Beim nächsten Besuch der Vettern und Basen würde das alles gezeigt werden. Wie werden sie auf den Trick hereinfallen, triumphierte die junge werdende Mutter. Schimpfend und fluchend werden sie an den falschen Gängen hervorkriechen und verwundert den Kopf schütteln. Dann aber an der Seite ihres lieben Herrn Gemahls, der zu allem Überfluss einen fünfzig Körperlängen tiefen Wasserschacht gebaut hatte aus dem einzigen Grund, dass sich der Regen dort hinab ergieße und ihre trockene, warme Wohnung verschone, an der Seite dieses großen Mannes, der ihr das Leben so …
Sie horchte auf, ein fremdes Geräusch drang an ihr Ohr, ein Rauschen, wie sie es einmal mit ihrem Mann in der Nähe eines Wasserfalles vernommen hatte. Selige Erinnerungen stiegen in ihr auf und ließen sie für einen Augenblick von dem Getöse ablenken, das nun zu einem Zischen, Sprudeln und Kochen anschwoll. Aus süßen Träumen gerissen blickte sie sich verwundert um. Was sie da ganz plötzlich zu sehen bekam, ließ ihr das Blut in den Adern erstarren, und ihre von Natur aus schon großen, schönen Perlaugen weiteten sich vor Entsetzen. Eine mannshohe Flutwelle kam durch den Haupteingang ihres Wohnsitzes geschossen. Sie sprang von ihrem Ruhebett auf und rannte in die entgegengesetzte Richtung den laugen Gang hinauf zum Arbeitzimmer ihres Mannes. Aber sie hatte noch nicht den größten Teil der Strecke zurückgelegt, als sie die Wassermassen schon mit packender Gewalt erreicht hatten und sie nun einfach vor sich herspülten. Sie strampelte mit Händen und Füßen, bis sie keine Luft mehr schöpfen konnte und ohnmächtig die verzweifelten Bewegungen einstellte.
Als sie wieder zu sich kam, wunderte sie sich sehr, dass sie noch am Leben war. So düster sah das Jenseits doch nicht aus! Alle Viere von sich gestreckt lag sie in solcher Haltung bedrohlich tief im ekeleregenden Schlamm. Aber sie lebte, sog neue Luft in ihre Lungen. Das Geräusch, dieses Verderben bringende Geräusch war jedoch nicht verschwunden. Es hatte nur einen anderen Klang angenommen. Was vorher gezischt, gebrodelt, gekocht und sie schon so tödlich nahe berührt hatte, klang nun wie Glucksen, Schlucken und Seufzen in der Luft. Mühsam befreite sie sich von dem Morast und watete den Gang hinauf, die Verheerung zu besehen.
Während sie bei jedem Körnchen aufschluchzte, das verdorben im Gang herumlag und schmerzend schon ahnte, dass all ihr Reichtum in der Kornkammer verdorben war, dämmerte ihr etwas im tiefstes Grunde ihres Herzens, was sie mit großer Dankbarkeit erfüllte. Sie lebte ja noch und durfte weiteratmen. Tapfer wollte sie an der Seite ihres Mannes die bevorstehende Not durchstehen. Hatte er nicht immer alle Müh’ und Drangsal bewältigt? Seine Idee von dem Wasserschacht und ihre Verwirklichung hatte ihr das Leben gerettet! Ob die Kinder zu Schaden gekommen waren? Keuchend tastete sie sich vorwärts, wobei sie bis zu den Knien in den zähen Schlick eindrang. Endlich hatte sie ihre Kammer erreicht, von der sie soeben geflohen war. Der Anblick war entsetzlich. Das sorgfältig gezimmerte und weich gepolsterte Bett stand unter Wasser. Herabgestürzte Erdmassen versperrten die Zugänge der Kinderzimmer und machten die Wohnung zu einem Bild des Chaos. Voll Schmerz schaute die junge Frau sich um. Hier war kein weiteres Bleiben mehr. Es schien besser, eine neue Wohnung zu graben als diese auszubessern und die Schäden zu beseitigen.
Dann ergriff sie eine neue Ohnmacht, aber nicht körperliche Schwäche oder die Gewalt des Wassers fällte sie zu Boden, nein, ein Anblick so entsetzlich, so unnatürlich widerlich, dass sie ihn nicht beschreiben könnte, wenn sie noch heute lebte. So will ich es für sie tun. Vor dem Hauptgang, unter dem sich auch der Regenschacht befand, der also direkt zum Schlafzimmer führte, fauchte eine rote Riesenschlange. Sie hatte einen Rachen aus glänzendem Gold und spukte unablässig Wasser gegen die Decke des Ganges aus ihrem schier unerschöpflichen Magen. Entsetzlich! Unsere Heldin hatte an einen besonders schweren Wolkenbruch gedacht, der so plötzlich ihr Heim überfallen hätte. Das war jedoch nicht mehr aus dem Bereich des Natürlichen, das sich so vielleicht mit ein wenig Verstand beherrschen ließe. Das war dämonische, höhere Gewalt. Wen von diesen fürchterlichen Mächten hatten sie erzürnt? Wofür wurden sie bestraft? Wo lag ihre Schuld begraben, die sie selbst nicht erkennen konnten? Alles Fragen und keine Antworten. In diesen Fragen liegen die Ansätze der Religion und auch in den Antworten, die uns noch zu den Fragen fehlen.
Freilich konnte die junge Frau, die ohnmächtig im Morast zusammengebrochen war, sich mit diesem Problem nicht beschäftigen. Ich weiß auch nicht, ob ich sie glücklich nennen soll, dass sie noch einmal aufwachte oder besser, dass das Ungeheuer den kahlen Hals senkte, seinen kalten Strahl auf das Schlafgemach richtete und sie, die erbärmlich da Liegende mit diabolischer Freude unsanft aus der Bewusstlosigkeit riss. Erbarmungslos spritzte das eisige Wasser über sie herein, das nun auch vom Boden herquoll und in wenigen Augenblicken die tief atmende Stupsnase erreichte. Zum letzten mal riss sie alle ihre Kräfte zusammen, floh vor dem natürlichsten Element der Welt, ausgespieen von einem Wesen, das durch Stärke, Ungestalt und überirdische Macht geeignet war, in den Mythos einzugehen.
Sie schleppte sich denselben Gang noch einmal hoch, jedoch ging sie nicht zum Arbeitszimmer hinauf, sondern verfolgte den Gang weiter, der zum Südausgang führte. Das Wasser eilte ihr voraus und kletterte langsam, aber stetig die Wände des Ganges empor, bis schließlich die gehetzte Frau gezwungen war, zu schwimmen, was ihr in ihrem gesegneten Zustand außerordentlich schwerfiel. Das Ungetüm schien zu ahnen, dass sein Opfer seinem Zorn entgehen wollte und jagte mit seiner augenlosen Fratze hinterher, den nassen Tod vor sich herspeiend. Die Druckwelle brachte die junge Frau jedoch schneller ihrem Ziele zu und entfernte sie von dem Scheusal. Endlich ging es senkrecht nach oben. Für einen kurzen Moment erblickte sie den blauen, strahlenden Himmel über sich. Dann wurde es wieder duster, nur das Gefühl sagte ihr, dass sie noch weiterhinauf mit dem Wasser stieg. Etwas hatte den Eingang versperrt. Wenn sie es nicht schaffte, die Sperre zu beseitigen, würde sie unweigerlich ertrinken.
Plötzlich …